Veranstaltung: | Landesdelegiertenversammlung in Lahnstein am 20. April 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Kommunalpolitische Erklärung |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenversammlung |
Beschlossen am: | 20.04.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Jetzt den Weg frei machen für Investitionen in unsere Zukunft
Beschlusstext
Wir wollen Städte und Dörfer, in denen es sich gut leben lässt. Deshalb setzen
wir GRÜNE uns für modern ausgestattete Kitas und Schulen ein, in denen kein
Staub von der Decke bröckelt, für einen attraktiven ÖPNV und ein modernisiertes
und reaktiviertes Schienennetz sowie für ausgebaute Radwege und Straßen ohne
Schlaglöcher. Wir wollen günstige, saubere Energie aus Sonne und Wind, weiterhin
stabile Stromnetze und eine zuverlässige Wärmeversorgung sowie flächendeckenden
Mobilfunkempfang und Glasfaserinternet für jedes Haus. Wir setzen uns für mehr
bezahlbaren Wohnraum ein, für eine Verwaltung, die Digitalisierung lebt sowie
für bespielbare Sportplätze und moderne Schwimmbäder. Wir wollen Räume, die uns
auch mit fortschreitendem Klimawandel ein gesundes Wohnen und Arbeiten
ermöglichen. All das sind keine Extrawünsche, sondern die Basis eines guten
Lebens vor Ort und für unser gesellschaftliches Miteinander.
Wir müssen feststellen: in der Vergangenheit wurde leider zu wenig für den
Erhalt und den Ausbau dieser Infrastrukturen investiert. Der Investitionsstau in
den Kommunen ist bundesweit gigantisch – laut dem KfW-Kommunalpanel 2023 bemisst
er sich auf 165,6 Milliarden Euro. Auch in Rheinland-Pfalz wächst der Bedarf an
kommunalen Investitionen, zugleich sind die Möglichkeiten vielerorts stark
eingeschränkt. Der Investitionsstau bedroht zunehmend die Daseinsvorsorge vor
Ort und schwächt tendenziell das Vertrauen in öffentliche Institutionen und in
die Demokratie. Die Menschen im Land müssen sich auf eine funktionierende
Infrastruktur verlassen können. Darüber hinaus braucht auch die Wirtschaft
passende Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, um zur lokalen Wertschöpfung
und einem attraktiven Zukunftsstandort beizutragen.
Die Herausforderungen unserer Zeit, allen voran der Umgang mit der Klimakrise
und ihren spürbaren Auswirkungen, bedürfen erheblicher Haushaltsmittel. Die
öffentliche Hand hat die Aufgabe, die notwendigen Rahmenbedingungen für den
Aufbau von klimaneutralem Wohlstand und Resilienz zu schaffen und die soziale
Infrastruktur zu sichern. Andere Industrienationen wie die Vereinigten Staaten
machen es mit dem Inflation Reduction Act (IRA) vor und bringen wegweisende
Investitionsprogramme auf den Weg. Angesichts der aktuellen Haushaltslage und
mit den bestehenden, starren Schuldenregeln droht der Staat diesen wichtigen
Aufgaben nicht mehr gerecht zu werden. Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen
Fassung wird zunehmend zu einer Zukunftsbremse.
Das nötige Geld jetzt in die Hand zu nehmen, bedeutet auch in
Generationengerechtigkeit zu investieren. Denn unseren Kindern und Enkeln wollen
wir ein modernes, funktionierendes und klimaneutrales Land hinterlassen und
keine aufgeschobenen Lasten und marode Infrastrukturen. Wir können unsere
Klimaziele erreichen, unseren Wohlstand erneuern, soziale Sicherheit
gewährleisten und eine gute Zukunft schaffen, wenn wir uns trauen, die
notwendigen Schritte zu gehen und die Mittel für die nötigen Investitionen –
privat wie öffentlich – zu mobilisieren.
Bereits jetzt fordern renommierte Wirtschaftswissenschaftler*innen,
Unternehmer*innen, Gewerkschafter*innen und Ministerpräsident*innen jeder
Couleur den Weg frei zu machen für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen.
Mit diesem Rückenwind aus der Breite der Gesellschaft wollen wir GRÜNE nicht bis
zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten, sondern jetzt Investitionen in die Zukunft
möglich machen und diese verlässlich gestalten:
- Wir rheinland-pfälzische GRÜNE fordern eine zügige Modernisierung der
Schuldenbremse auf Bundesebene und unterstützen alle Bestrebungen, die
eine Reform möglich machen. Wir wollen, dass öffentliche Investitionen,
die neue Werte schaffen und bestehende Werte erhalten, zukünftig auch über
Kredite finanziert werden können. So schaffen wir nötige
Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, damit auch Unternehmen
Zukunftsinvestitionen in den Wirtschaftsstandort, in lokale Arbeitsplätze
und regionale Wertschöpfung tätigen.
- Wir unterstützen die Idee des „Deutschland-Investitionsfonds für Bund,
Länder und Kommunen“ der Grünen Bundestagsfraktion. Mit Hilfe dieses
Fonds, der durch eine Reform der Schuldenbremse möglich wird, soll gezielt
in die Erneuerung und Dekarbonisierung der Wirtschaft, in innovative
Zukunftstechnologien und in eine funktionierende Infrastruktur investiert
und somit gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen werden.
- Wir rheinland-pfälzische GRÜNE fordern den Bund auf, diesen Fonds mit
ausreichend Mittel für die Bedarfe der Länder und Kommunen auszustatten.
Gerade unsere Kommunen, die Herzkammern unserer Demokratie, müssen
dringend in Kitas, Schulbauten, Krankenhäuser, Wärmenetze, in Busse und
Bahnen, in bezahlbare Wohnungen oder Schwimmbäder und Sportplätze
investieren und brauchen hierfür finanzielle Unterstützung.
- Wir wollen die Idee des Investitionsfonds weiterverfolgen, auch wenn eine
Modernisierung der Schuldenbremse keine verfassungsändernde Mehrheit im
Bund findet. Eine Alternative ist ein im Grundgesetz verankerter
Investitionsplan in Form eines Sondervermögens. Das wäre eine begrenzte
Lösung, welche die aktuelle, starre Schuldenbremse nicht in Frage stellt,
aber die von allen Seiten geforderte klimaneutrale Erneuerung unserer
Wirtschaft und Modernisierung der Infrastruktur ermöglicht. Ein solches
Finanzierungsinstrument bindet auch zukünftige Bundesregierungen und sorgt
damit für Verlässlichkeit. Das ist vor allem für private Investitionen
wichtig, die neben den öffentlichen Maßnahmen eine bedeutende Rolle
spielen.
- Für uns geht eine funktionierende, ausreichend finanzierte Infrastruktur
einher mit effizienten Abläufen. Das betrifft vor allem staatliches
Handeln, was in und mit den Verwaltungen die Rahmenbedingungen für die
Entwicklung unserer Gesellschaft und unserer Infrastruktur setzt. Darum
wollen wir GRÜNE hinderliche Bürokratie abbauen sowie auf allen Ebenen
Verwaltungsprozesse vereinfachen und digitalisieren. Dazu wollen wir auch
Praxis-Checks in Verwaltungen einführen, um Entscheidungen einfacher und
somit schneller umzusetzen. Das von uns mitentwickelte Kommunale
Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI) und die
Zentralisierung der Windkraftgenehmigungen im Land setzen hierbei wichtige
Maßstäbe.
Wir werden hierzu auch weiterhin auf Landesebene aktiv und Wege eröffnen, um die
dringend nötigen Investitionen tätigen zu können. Nicht handeln war und ist für
uns GRÜNE in Rheinland-Pfalz keine Option.
- Dabei geht es uns auch für unsere Kommunen um den Dreiklang von
Ermöglichung, Finanzierung und Umsetzung. Aktuell ist es vielen
finanzschwachen Kommunen haushaltsrechtlich nicht möglich zu investieren.
Dies ist selbst dann der Fall, wenn nur ein geringer Eigenanteil fällig
wird oder sie durch die Investition den weiteren Wertverlust ihrer
Infrastruktur aufhalten könnten. Kommunen sollten bei ihren Liegenschaften
grundsätzlich Werterhalt auch durch kreditfinanzierte Investitionen
gestalten dürfen. Das schafft zudem einen hohen gesellschaftlichen Wert
für ein funktionierendes Gemeinwesen und für das kommunale Ehrenamt. Mit
der Ermöglichung von Investitionen in wirtschaftliche Projekte im Bereich
Energieeffizienz und Erneuerbare Energien zeigen wir bereits heute, wie
dies vor Ort erfolgreich funktioniert.
- Zur Mobilisierung von Privatkapital wollen wir die Investitions- und
Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) nach dem Vorbild der Europäischen
Investitionsbank (EIB) zu einer echten Klima-Investitions-Bank
weiterentwickeln. Mit Grünen Anleihen (Green Bonds) soll die
Refinanzierung ökologisch nachhaltiger Projekte ermöglicht werden.
Förderprogramme, öffentliche Garantien und Gründungs-/Investitionskredite
des Landes sollen klar auf die Transformation zu einer klimaneutralen
Wirtschaft ausgerichtet werden und Investitionsanreize schaffen.
- Wir wollen auch in Rheinland-Pfalz die Diskussion über ein Sondervermögen
für Zukunftsinvestitionen voranbringen. Dazu werden wir prüfen, welche
Möglichkeiten uns die aktuelle Rechtsprechung bietet. Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie
dessen Entscheidung zum Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2021 werten wir auf
seine Auswirkungen auf ein mögliches Sondervermögen für Rheinland-Pfalz
detailliert aus. Wir wollen der Frage nachgehen, wie diese beiden
Entscheidungen miteinander zu vereinbaren sind, damit wir auch in
Rheinland-Pfalz mehr investieren können, um unsere rheinland-pfälzische
Wirtschaft klimaneutral umzubauen, unsere Infrastruktur zu modernisieren
und den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land zu stärken.